Beim Lesen in einem alten Philosophen



Was gestern noch voll Reiz und Adel war,
Jahrundertfrucht erlesener Gedanken,
Plötzlich erblaßt's, wird welk und Sinnes bar
Wie eine Notenschrift, aus deren Ranken

Man Kreuz und Schlüssel löschte; es entwich
Aus einem Bau der magische Schwerpunkt; lallend
Wankt auseinander und zerlüdert sich,
Was Harmonie schien, ewig widerhallend.

So kann ein altes weises Angesicht,
Das liebend wir bewundert, sich zerknittern
Und todesreif sein geistig strahlend Licht
In kläglich irrem Fältchenspiel verzittern.

So kann ein Hochgefühl in unsern Sinnen
Sich, kaum gefühlt, verfratzen zu Verdruß,
Als wohne längst schon die Erkenntnis innen,
Daß alles faulen, welken, sterben muß.

Und über diesem eklen Leichentale
Reckt dennoch schmerzvoll, aber unverderblich,
Der Geist voll Sehnsucht glühende Fanale,
Bekriegt den Tod und macht sich selbst unsterblich.

Beim Schlafengehen

Nun der Tag mich müd' gemacht,
soll mein sehnliches Verlangen
freundlich die gestirnte Nacht
wie ein müdes Kind empfangen.

Hände, lasst von allem Tun,
Stirn, vergiss du alles Denken,
alle meine Sinne nun
wollen sich in Schlummer senken.

Und die Seele unbewacht
will in freien Flügen schweben,
um im Zauberkreis der Nacht
tief and tausendfach zu leben.

Beim Wiederlesen des Maler Nolten

Bescheiden klopf ich wieder an dein Tor
Und tret in den geliebten Garten ein,
Da atm ich meiner Jugend Lieblingsflor
Aufs neue mit geschärften Sinnen ein.

Herüber duftet aus der Jugendzeit
Begeisterung entrückter Lesestunden,
Doch hab ich nie so tief wie jetzt im Leid
Geliebter Dichtung innigen Wert empfunden.

Aus kühlen Grotten ruft mir Blütenglut
Und süße Leidenschaft ihr Lied ins Herz,
Und heilig wird, was sonst so wehe tut;
Die Dichtung winkt, und lächeln lernt der Schmerz.

Bei Nacht

Nachts, wenn das Meer mich wiegt
Und bleicher Sternenglanz
Auf seinen weiten Wellen liegt,
Dann löse ich mich ganz
Von allem Tun und aller Liebe los
Und stehe still und atme bloß
Allein, allein vom Meer gewiegt,
Das still und kalt mit tausend Lichtern liegt.

Dann muss ich meiner Freunde denken
Und meinen Blick in ihre Blicke senken,
Und frage jeden still allein:
"Bist du noch mein?
Ist dir mein Leid ein Leid? Mein Tod ein Tod?
Fühlst du von meiner Liebe, in meiner Not
Nur einen Hauch, nur einen Widerhall?"

Und ruhig blickt und schweigt das Meer
Und lächelt: Nein.
Und nirgendwo kommt Gruß und Antwort her.

Bekenntnis

Holder Schein, an deine Spiele
Sieh mich willig hingegeben;
Andre haben Zwecke, Ziele,
Mir genügt es schon, zu leben.

Gleichnis will mir alles scheinen,
Was mir je die Sinne rührte,
Des Unendlichen und Einen,
Das ich stets lebendig spürte.

Solche Bilderschrift zu lesen,
Wird mir stets das Leben lohnen,
Denn das Ewige, das Wesen,
Weiß ich in mir selber wohnen.

Belehrung

Mehr oder Weniger, mein lieber Knabe,
sind schließlich alle Menschenworte Schwindel,
verhältnismäßig sind wir in der Windel
am ehrlichsten, und später dann im Grabe.

Dann legen wir uns zu den Vätern nieder,
sind endlich weise und voll kühler Klarheit,
mit blanken Knochen klappern wir die Wahrheit,
und mancher lög und lebte lieber wieder.

Berge in der Nacht

Der See ist erloschen,
Schwarz schläft das Ried,
In Träume flüsternd,
Ungeheuer ins Land gedehnt
Drohen die hingestreckten Berge,
Sie ruhen nicht.
Sie atmen tief, und sie halten
Einer den andern an sich gedrückt.
Tief atmend,
Mit dumpfen Kräften beladen,
Unerlöst in verzehrender Leidenschaft.

Besinnung

Göttlich ist und ewig der Geist.
Ihm entgegen, dessen wir Bild und Werkzeug sind,
Führt unser Weg; unsre innerste Sehnsucht ist:
Werden wie er, leuchten in seinem Licht!
Aber irden und sterblich sind wir geschaffen,
Träge lastet auf uns Kreaturen die Schwere.
Hold zwar und mütterlich warm umhegt uns Natur,
Säugt uns Erde, bettet uns Wiege und Grab;
Doch befriedet Natur uns nicht,
Ihren Mutterzauber durchstößt
Des unsterblichen Geistes Funke
Väterlich, macht zum Manne das Kind.
Löscht die Unschuld und wendet uns zu
Kampf und Gewissen.

So zwischen Mutter und Vater,
So zwischen Leib und Geist
Zögert der Schöpfung gebrechlichstes Kind.
Zitternde Seele Mensch, des Leidens fähig
Wie kein anderes Wesen, und fähig des Höchsten:
Gläubiger, hoffender Liebe.
Schwer ist sein Weg, Sünde und Tod seine Speise,
Oft verirrt er ins Finstre, oft wär ihm
Besser, niemals erschaffen zu sein.
Ewig aber strahlt über ihm seine Sehnsucht,
Seine Bestimmung: das Licht, der Geist.
Und wir fühlen: ihn, den Gefährdeten,
Liebt der Ewige mit besonderer Liebe.

Darum ist uns irrenden Brüdern
Liebe möglich noch in der Entzweiung,
Und nicht Richten und Haß,
Sondern geduldige Liebe,
Liebendes Dulden führt
Uns dem heiligen Ziele näher.

Betrachtung

Ich bin einmal ein Dichter gewesen,
Jetzt kann ich nur noch Knittelverse machen,
Die Leute, die sie lesen,
Schimpfen darüber oder lachen.
Ich war einmal ein Weiser und wusste viel,
Ich war schon ganz nahe am Ziel,
Nun bin ich wieder ein Narr geworden,
Fange wieder von vorne an,
Vielleicht werde ich noch brennen und morden,
Wie es im Krieg die Helden getan.
Es war mir nicht bestimmt,
Etwas ordentliches zu werden,
Das Leben ist schwer auf Erden;
Schon meine Schullehrer haben gewusst,
Diesem bösen Ende entgegen
Lockt mich die Stimme in meiner Brust,
Die singt so dunkel und macht mir Lust,
Mich auf die Eisenbahnschienen zu legen.
So schlimm wie das Leben kann der Tod nicht sein,
Denn gar manche Leute nahmen sich das Leben;
Aber niemals fiel es einem Toten ein,
Wieder sich den Tod zu nehmen,
Er müsste sich ja schämen.
Nein, in den Tod ging schon mancher freiwillig hinein,
Aber noch keiner in das Leben.

Bitte

Wenn du die kleine Hand mir gibst,
Die so viel Ungesagtes sagt,
Hab ich dich jemals dann gefragt,
Ob du mich liebst?

Ich will ja nicht, daß du mich liebst,
Will nur, daß ich dich nahe weiß
Und daß du manchmal stumm und leis
Die Hand mir gibst.

Blauer Schmetterling

Flügelt ein kleiner blauer
Falter vom Wind geweht,
Ein perlmutterner Schauer,
Glitzert, flimmert, vergeht.
So mit Augenblicksblinken,
So im Vorüberwehn
Sah ich das Glück mir winken,
Glitzern, flimmern, vergehn.

Brief von der Redaktion

"Wir danken sehr für Ihr ergreifendes Gedicht,
Das uns so tiefen Eindruck hinterlassen hat,
Und wie bedauern herzlich, daß es nicht
So recht geeignet scheint für unser Blatt."

So schreibt mir irgendeine Redaktion
Fast jeden Tag. Es drückt sich Blatt um Blatt.
Es riecht nach Herbst, und der verlorne Sohn
Sieht deutlich, daß er nirgends Heimat hat.

Für mich allein denn schreib ich ohne Ziel,
Der Lampe auf dem Nachttisch les ich's vor.
Vielleicjht leiht auch die Lampe mir kein Ohr.
Doch gibt sie hell, und schweigt. Das ist schon viel.

Buchstaben

Gelegentlich ergreifen wir die Feder
Und schreiben Zeichen auf ein weißes Blatt,
Die sagen dies und das, es kennt sie jeder,
Es ist ein Spiel, das seine Regeln hat.

Doch wenn ein Wilder oder Mondmann käme
Und solches Blatt, solch furchig Runenfeld
Neugierig forschend vor die Augen nähme,
Ihm starrte draus ein fremdes Bild der Welt,
Ein fremder Zauberbildersaal entgegen.
Er sähe A und B als Mensch und Tier,
Als Augen, Zungen, Glieder sich bewegen,
Bedächtig dort, gehetzt von Trieben hier,
Er läse wie im Schnee den Krähentritt,
Er liefe, ruhte, litte, flöge mit
Und sähe aller Schöpfung Möglichkeiten
Durch die erstarrten schwarzen Zeichen spuken,
Durch die gestabten Ornamente gleiten,
Säh Liebe glühen, sähe Schmerzen zucken.
Er würde staunen, lachen, weinen, zittern,
Da hinter dieser Schrift gestabten Gittern
Die ganze Welt in ihrem blinden Drang
Verkleinert ihm erschiene, in die Zeichen
Verzwergt, verzaubert, die in steifem Gang
Gefangen gehn und so einander gleichen,
Daß Lebensdrang und Tod, Wollust und Leiden
Zu Brüdern werden, kaum zu unterscheiden...

Und endlich würde dieser Wilde schreien
Vor unerträglicher Angst, und Feuer schüren
Und unter Stirnaufschlag und Litaneien
Das weiße Runenblatt den Flammen weihen.
Dann würde er vielleicht einschlummernd spüren,
Wie diese Un-Welt, dieser Zaubertand,
Dies Unerträgliche zurück ins Niegewesen
Gesogen würde und ins Nirgendland,
Und würde seufzen, lächeln und genesen.

Bücher

Alle Bücher dieser Welt
Bringen dir kein Glück,
Doch sie weisen dich geheim
In dich selbst zurück

Dort ist alles, was du brauchst,
Sonne, Stern und Mond
Denn das Licht, danach du frugst,
In dir selber wohnt

Weisheit, die du lang gesucht
In den Büchereien,
Leuchtet jetzt aus jedem Blatt -
Denn nun sind sie dein. [April 1918]

Das Glasperlenspiel

Musik des Weltalls und Musik der Meister
Sind wir bereit mit Ehrfurcht anzuhören,
Zu reiner Feier die verehrten Geister
Begnadeter Zeiten zu beschwören.

Wir lassen vom Geheimnis uns erheben
Der magischen Formelschrift, in deren Bann
Das Uferlose, Stürmende, das Leben,
Zu klaren Gleichnissen gerann.

Sternbildern gleich ertönen sie kristallen,
In ihrem Dienst ward unserm Leben Sinn,
Und keiner kann aus ihren Kreisen fallen,
Als nach der heiligen Mitte hin.

Es führen über die Erde
Strassen und Wege viel,
Aber alle haben
Dasselbe Ziel

Du kannst reiten und fahren
Zu zwein und zu drein,
Den letzten Schritt
Mußt du gehen allein.

Drum ist kein Wissen
Noch Können so gut,
Als daß man alles Schwere
Alleine tut.

Das Leben, das ich selbst gewählt

Ehe ich in dieses Erdenleben kam
Ward mir gezeigt, wie ich es leben würde.
Da war die Kümmernis, da war der Gram,
Da war das Elend und die Leidensbürde.
Da war das Laster, das mich packen sollte,
Da war der Irrtum, der gefangen nahm.
Da war der schnelle Zorn, in dem ich grollte,
Da waren Haß und Hochmut, Stolz und Scham.

Doch da waren auch die Freuden jener Tage,
Die voller Licht und schöner Träume sind,
Wo Klage nicht mehr ist und nicht mehr Plage,
Und überall der Quell der Gaben rinnt.
Wo Liebe dem, der noch im Erdenkleid gebunden,
Die Seligkeit des Losgelösten schenkt,
Wo sich der Mensch der Menschenpein entwunden
als Auserwählter hoher Geister denkt.

Mir ward gezeigt das Schlechte und das Gute,
Mir ward gezeigt die Fülle meiner Mängel.
Mir ward gezeigt die Wunde draus ich blute,
Mir ward gezeigt die Helfertat der Engel.
Und als ich so mein künftig Leben schaute,
Da hört ein Wesen ich die Frage tun,
Ob ich dies zu leben mich getraute,
Denn der Entscheidung Stunde schlüge nun.

Und ich ermaß noch einmal alles Schlimme.-
"Dies ist das Leben, das ich leben will!"-
Gab ich zur Antwort mit entschloßner Stimme.
So wars als ich ins neue Leben trat
Und nahm auf mich mein neues Schicksal still.
So ward ich geboren in diese Welt.
Ich klage nicht, wenns oft mir nicht gefällt,
Denn ungeboren hab ich es bejaht.

Dem Frieden entgegen

Aus Haßtraum und Blutrausch
Erwachend, blind noch und taub
Vom Blitz und tödlichen Lärm des Krieges,
Alles Grauenhafte gewohnt,
Lassen von ihren Waffen,
Von ihrem furchtbaren Tagwerk
Die ermüdeten Krieger

"Friede" tönt es
Wie aus Märchen, aus Kinderträumen her.
"Friede". Und kaum zu freuen
Wagt sich das Herz, ihm sind näher die Tränen.

Arme Menschen sind wir,
So des Guten wie des Bösen fähig,
Tiere und Götter. Wie drückt das Weh,
Drückt die Scham uns heut zu Boden.

Aber wir hoffen. Und in der Brust
Lebt uns glühende Ahnung
Von den Wundern der Liebe.
Brüder! Uns steht zum Geiste,
Steht zur Liebe die Heimkehr
Und zu allen verlorenen
Paradiesen die Pforte offen.

Wollet! Hoffet! Liebet!
Und die Erde gehört euch wieder.

Der Blütenzweig

Immer hin und wider
Strebt der Blütenzweig im Winde,
Immer auf und nieder
Strebt mein Herz gleich einem Kinde
Zwischen hellen, dunkeln Tagen,
Zwischen Wollen und Entsagen.

Bis die Blüten sind verweht
Und der Zweig in Früchten steht,
Bis das Herz, der Kindheit satt,
Seine Ruhe hat
Und bekennt: voll Lust und nicht vergebens
War das unruhvolle Spiel des Lebens.

Der Dichter

Nur mit dem Einsamen
Scheinen des Nachts die unendlichen Sterne,
Rauscht der steinerne Brunnen sein Zauberlied,
Mir allein, mir dem Einsamen
Ziehen die farbigen Schatten
Wandernder Wolken Träumen gleich übers Gefild.
Nicht Haus noch Acker ist,
Nicht Wald noch Jagd noch Gewerb mir gegeben,
Mein ist nur, was keinem gehört,
Mein ist sitürzender Bach hinterm Waldesschleier,
Mein das fruchtbare Meer,
Mein der spielenden Kinder Vogelgeschwirre,
Träne und Lied einsam Verliebter am Abend.
Mein auch sind die Tempel der Götter, mein ist
Der Vergangenheit ehrwürdiger Hain.
Und nicht minder der Zukunft
Lichtes Himmelsgewölbe ist meine Heimat:
Oft in Flügen der Sehnsucht stürmt die Seele empor,
Seliger Menschheit Zukunft zu schauen,
Liebe, Gesetz besiegend, Liebe von Volk zu Volk.
Alle find ich sie wieder, edel verwandelt:
Landmann, König, Händler, emsiges Schiffervolk,
Hirt und Gärtner, sie alle
Feiern dankbar der Zukunft Weltfest.
Einzig der Dichter fehlt,
Er, der vereinsamt Schauende,
Er, der Menschensehnsucht Träger und bleiches Bild,
Dessen die Zukunft, dessen die Wetlerfüllung
Nicht mehr bedarf. Es welken
Viele Kränze an seinem Grabe,
Aber verschollen ist sein Gedächtnis.

Der Einsame an Gott

Einsam stehe ich, vom Wind gezerrt,
Ungeliebt und verlassen
In der feindlichen Nacht.
Schwer ist mein Gemüt und voll Bitterkeit,
Wenn ich Deiner gedenke,
Blinder Gott, der voll Grausamkeit
Immer das Unbegreifliche tut.
Warum lässest Du, wenn Du die Macht hast,
Warum lässest Du Hunde und Säue
Eines Glückes genießen, das nie
Dem verschmachtenden Edleren wird?
Warum peitschest Du mich, der Dich liebte,
Jagst mich alleine durch die Nacht,
Warum raubst Du mir alles,
Was Du doch jedem Erbärmlichen gönnst?
Selten hab ich geklagt, und seltener
Dir im Unmut geflucht,
Jahrelang in gläubiger Priesterschaft
Lebte ich Dir, nannte Dich Herr und Gott,
Sah in Dir meines Daseins Kron und Sinn;
Immer ging ich, ob auch im Dunkeln oft,
Tastend dem Guten nach, immer war Liebe,
Immer Güte und Reinheit mein hohes Ziel.
Dennoch hast Du, der meinen Feinden schmeichelt,
Niemals mir einen einzigen Traum,
Eine einzige Bitte erfüllt!
Niemals kannte ich andres als Kampf und Arbeit,
Während drüben im Hause der Fröhlichen
Laute und Tanz und süßer Gesang erscholl.
O und wie hast Du, mein Peiniger,
Wenn ich einmal in blinder Hoffnung
Zärtlicher Liebe mein Herz voll Vertrauen bot,
Wie hast Du mit Spott und Verachtung mich überschüttet,
Daß ich grimmig entfloh, vom Gelächter der Frauen verfolgt!
Einsam nun und ohne Glauben an Glück,
Schlaflos bei Nacht und am Tag voller Zweifel
Geh ich gottlos durch diese Welt,
Mir zur Qual und Dir zur traurigen Schande.
Trotzdem, o Gott, wenn auch Dein Finger tief
Und voll blinder Wollust in meiner Wunde wühlt,
Trotzdem sollst Du mich nicht verzagen,
Nicht im Staube knien und weinen sehen.
Denn Dein heimlicher Wunsch, Grausamer,
Tönt ja doch unbesiegbar im Herzen mir,
Und das Leben zu lieben,
Und das sinnlose Leben wild und sinnlos zu lieben
Hab ich in aller Verfolgung
Aller Versuchung niemals völlig verlernt.
Dich auch und Deine launischen Wege
Liebt mein Herz, indem es Dich trotzdem höhnt.
Ja, ich liebe Dich, Gott, und ich liebe
Heiß die verworrene Welt, die Du schlecht regierst.
...Horch! Von drüben, wo die Fröhlichen sind,
Weht mir Lied und Gelächter,
Weiberschrei und silbernes Bechergeläut.
Aber mit tiefer Wollust,
Süßer und trunkener glüht als diesen Genügsamen
Mir die Liebe zum Leben
In der glücklos hungernden Brust.
Und ich schütte zornig
Aus den schlaflosen Augen die Müdigkeit,
Trinke Nacht und Wind, Sternschein und Wolkengebirg
Gierig mit atmenden Sinnen
In die unersättlich Seele ein.

Der Geliebten

Wieder fällt ein Blatt von meinem Baum,
Wieder welkt von meinen Blumen eine,
Wunderlich in ungewissem Scheine
Grüßt mich meines Lebens wirrer Traum.

Dunkel blickt die Leere rings mich an,
Aber in der Wölbung Mitte lacht
Ein Gestirn voll Trost durch alle Nacht,
Nah und näher zieht es seine Bahn.

Guter Stern, der meine Nacht versüßt,
Den mein Schicksal nah und näher zieht,
Fühlst du, wie mein Herz mit stummem Lied
Dir entgegenharrt und dich begrüßt?

Sieh, noch ist voll Einsamkeit mein Blick,
Langsam nur darf ich zu dir erwachen,
Darf ich wieder weinen, wieder lachen
Und vertrauen dir und dem Geschick.

Der Heiland

Immer wieder wird er Mensch geboren,
Spricht zu frommen, spricht zu tauben Ohren,
Kommt uns nah und geht uns neu verloren.

Immer wieder muss er einsam ragen,
Aller Brüder Not und Sehnsucht tragen,
Immer wird er neu ans Kreuz geschlagen.

Immer wieder will sich Gott verkünden,
Will das himmlische ins Tal der Sünden,
Will ins Fleisch der Geist, der ewige, münden.

Immer wieder, auch in diesen Tagen,
Ist der Heiland unterwegs, zu segnen,
Unsern Ängsten, Tränen, Fragen, Klagen
Mit stillen Blicke zu begegnen,
Den wir doch nicht zu erwidern wagen,
Weil nur Kinderaugen ihn ertragen.

Der letzte Glasperlenspieler

Sein Spielzeug, bunte Perlen, in der Hand,
Sitzt er gebückt, es liegt um ihn das Land
Verheert von Krieg und Pest, auf den Ruinen
Wächst Efeu, und im Efeu summen Bienen.
Ein müder Friede mit gedämpftem Psalter
Durchtönt die Welt, ein stilles Greisenalter
Der Alte seine bunten Perlen zählt,
Hier eine blaue, eine weiße faßt,
Da eine große, eine kleine wählt
Und sie im Ring zum Spiel zusammenpaßt.
Er war einst groß im Spiel mit den Symbolen,
War vieler Künste, vieler Sprachen Meister,
War ein weltkundiger, ein weitgereister,
Berühmter Mann, gekannt bis zu den Polen,
Umgeben stets von Schülern und Kollegen.
Jetzt blieb er übrig, alt, verbraucht, allein,
Es wirbt kein Jünger mehr um seinen Segen,
Es lädt ihn kein Magister zum Disput;
Sie sind dahin, und auch die Tempel, Büchereien,
Schulen Kastaliens sind nicht mehr... Der Alte ruht
Im Trümmerfeld, die Perlen in der Hand,
Hieroglyphen, die einst viel besagten,
Nun sind sie nur noch bunte gläserne Scherben.
Sie rollen lautlos aus des Hochbetagten
Händen dahin, verlieren sich im Sand...

Der Liebende

Nun liegt dein Freund wach in der milden Nacht,
Noch warm von dir, noch voll von deinem Duft,
Von deinem Blick und Haar und Kuß - o Mitternacht,
O Mond und Stern und blaue Nebelluft!
In dich, Geliebte, steigt mein Traum
Tief wie in Meer, Gebirg und Kluft hinein,
Verspritzt in Brandung und verweht zu Schaum,
Ist Sonne, Wurzel, Tier,
Nur um bei dir,
Um nah bei dir zu sein.
Saturn kreist fern und Mond, ich seh sie nicht,
Seh nur in Blumenblässe dein Gesicht,
Und lache still und weine trunken,
Nicht Glück, nicht Leid ist mehr,
Nur du, nur ich und du, versunken
Ins tiefe All, ins tiefe Meer,
Darein sind wir verloren,
Drin sterben wir und werden neugeboren.

Der Mann von fünfzig Jahren

Von der Wiege bis zur Bahre
sind es fünfzig Jahre,
dann beginnt der Tod.
Man vertrottelt man versauert,
man verwahrlost, man verbauert
und zum Teufel gehn die Haare.
Auch die Zähne gehen flöten,
und statt daß wir mit Entzücken
junge Mädchen an uns drücken,
lesen wir ein Buch von Goethen.

Aber einmal noch vorm Ende
will ich so ein Kind mir fangen,
Augen hell und Locken kraus,
nehm´s behutsam in die Hände,
küsse Mund und Brust und Wangen,
zieh ihm Rock und Höslein aus.
Nachher dann, in Gottes Namen,
soll der Tod mich holen. Amen.

Der Schmetterling

Mir war ein Weh geschehen,
Und da ich durch die Felder ging,
Da sah ich einen Schmetterling,
Der war so weiß und dunkelrot,
Im blauen Winde wehen.

Oh du! In Kinderzeiten,
Da noch die Welt so morgenklar
Und noch so nah der Himmel war,
Da sah ich dich zum letztenmal
Die schönen Flügel breiten.

Du farbig weiches Wehen,
Das mir vom Paradiese kam,
Wie fremd muß ich und voller Scham
Vor deinem tiefen Gottesglanz
Mit spröden Augen stehen!

Feldeinwärts ward getrieben
Der weiß' und rote Schmetterling,
Und da ich träumend weiterging,
War mir vom Paradiese her
Ein stiller Glanz geblieben.

Die Flamme

Ob du tanzen gehst in Tand und Plunder,
Ob dein Herz sich wund in Sorgen müht,
Täglich neu erfährst du doch das Wunder,
Daß des Lebens Flamme in dir glüht.

Mancher läßt sie lodern und verprassen,
Trunken im verzückten Augenblick,
Andre geben sorglich und gelassen
Kind und Enkeln weiter ihr Geschick

Doch verloren sind nur dessen Tage,
Den sein Weg durch dumpfe Dämmrung führt,
Der sich sättigt in des Tages Plage
Und des Lebens Flamme niemals spürt.

Die Geheimnisvolle

So viele Frauen, wenn sie lieben, geben
Uns in der Wollust ihr Geheimnis preis,
Wir pflücken es, und kennen sie fürs Leben,
Denn ob die Liebe auch zu täuschen weiß,
Ob auch die Wollust noch vermag zu trügen.
Wo beide Eins sind, können sie nicht lügen.

Du hast mit mir das Sakrament gefeiert,
Und Wollust schien bei dir mit Liebe Eins,
Und dennoch hast du dich mir nicht entschleiert,
Du hast das bange Rätsel deines Seins
Mir nie gelöst und anvertraut im Lieben,
Bist immer ein Geheimnis mir geblieben.

Dann bist du, plötzlich meiner müd, gegangen,
Und tatest mir zum letzten Male weh.
Ein Stück von mir blieb noch bei dir gefangen,
Und wenn ich fern dich Schlanke gehen seh,
Kann ich die fremde schöne Frau begehren,
Als ob wir nie ein Paar gewesen wären.

Die Kindheit

Du bist, mein fernes Tal,
verzaubert und versunken.
Oft hast du mir in Not und Qual
empor aus deinem Schattenland gewunken
und deine Mädchenaugen aufgetan,
daß ich entzückt in kurzem Wahn
mich ganz zu dir zurück verlor.

O dunkles Tor,
o dunkle Todesstunde,
komm du heran, daß ich gesunde
und daß aus dieses Lebens Leere
ich heim zu meinen Träumen kehre!


Дата добавления: 2019-02-12; просмотров: 213; Мы поможем в написании вашей работы!

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