Die Magie des Tages versagt am Tage oft



Die Magie des Tages versagt am Tage oft,
weil auch noch der beste Träumer
die Außenwelt im Wachsen wichtiger nimmt
als er sollte.
Die Verrückten können das besser;
sie erklären sich füre Kaiser
und die Zelle für ihr Schloß,
und alles stimmt wunderbar.
Die Außenwelt umzaubern können,
ohne verrückt zu werden, das ist unser Ziel.
Es ist nicht leicht,
dafür aber ist wenig Konkurrenz da.

Die Stunde

Es war noch Zeit; ich konnte gehen,
Und alles wäre ungeschehn,
und alles wäre rein und klar,
Wie es vor jenem Tage war!

Es mußte sein. Die Stunde kam,
Die kurze, schwüle, und sie nahm
Unwandelbar mit jähem Schritt
Den ganzen Glanz der Jugend mit.

Die Unsterblichen

Immer wieder aus der Erde Tälern
Dampft zu uns empor des Lebens Drang,
Wilde Not, berauschter Überschwang,
Blutiger Rauch von tausend Henkersmählern
Krampf der Lust, Begierde ohne Ende,
Mörderhände, Wuchererähäande, Beterhände,
Angst- und lustgepeitschterMenschenschwarm
Dunstet schwül und faulig, roh und warm,
Atmet Seligkeit und wilde Brünste,
Frißt sich selbst und speit sich wieder aus,
Brütet Kriege aus und holde Künste,
Schmückt mit Wahn das brennende Freudenhaus,
Schlingt und zehrt und hurt sich durch die grellen
Jahrmarktsfreuden ihrer Kinderwelt,
Hebt für jeden neu sich aus den Wellen,
Wie sie jedem einst zu Kot zerfällt.

Wir dagegen haben uns gefunden,
In des Äthers sterndurchglänztem Eis,
Kennen keine Tage, keine Stunden,
Sind nicht Mann noch Weib, nicht jung noch Greis.
Eure Sünden sind eure Ängste,
Euer Mord und eure geilen Wonnen
Schauspiel uns gleichwie die kreisenden Sonnen,
Jeder einzige Tag ist uns der längste.
Still zu eurem zuckenden Leben nickend,
Still in die sich drehenden Sterne blickend
Atmen wir des Weltraums Winter ein,
Sind befreundet mit dem Himmelsdrachen,
Kühl und wandellos ist unser ewiges Sein,
Kühl und sternhell unser ewiges Lachen.

Doch heimlich dürsten wir ...

Anmutig, geistig, arabeskenzart
Scheint unser Leben sich wie das von Feen
In sanften Tänzen um das Nichts zu drehen,
Dem wir geopfert Sein und Gegenwart.

Schönheit der Träume, holde Spielerei,
So hingehaucht, so reinlich abgestimmt,
Tief unter deiner heiteren Fläche glimmt
Sehnsucht nach Nacht, nach Blut, nach Barberei.

Im Leeren dreht sich , ohne Zwang und Not,
Frei unser Leben, stets zum Spiel bereit,
Doch heimlich dürsten wir nach Wirklichkeit,
Nach Zeugung und Geburt, nach Leid und Tod.

Dunkelste Stunden

Das sind die Stunden, die wir nicht begreifen!
Sie beugen uns in Todestiefen nieder
Und löschen aus, was wir von Trost gewußt,
Sie reißen uns geheimgehaltene Lieder
Mit blutend wunden Wurzeln aus der Brust.

Und doch sind das die Stunden, deren Last
Uns Stille lehrt und innerlichste Rast
Und die zu Weisen uns und Dichtern reifen.

Dunkle Augen

Mein Heimweh und meine Liebe
Ist heut in dieser heißen Nacht
Süß wie ein Duft von fremden Blumen
Zu heißem Leben aufgewacht.

Mein Heimweh und meine Liebe
Und all mein Glück und Mißgeschick
Steht wie ein stummes Lied geschrieben
In deinem dunklen Märchenblick.

Mein Heimweh und meine Liebe,
Der Welt und allem Lärm entflohn,
Hat sich in deinen dunklen Augen
Erbaut einen heimlichen Königsthron.

E-J

Ein Brief

Mein hochgeehrter Herr von Klein,
Ihren schmeichelhaften Brief habe ich erhalten,
Der mich einlädt, in Ihrem werten Verein
Einen literarischen Abend abzuhalten.
Aber leider kann ich mich nicht verpflichten,
Noch im Januar kommenden Jahres zu existieren;
Das Existieren freut mich mitnichten,
Schon jetzt beginn ich die Lust daran zu verlieren.

Und was nun meine Dichtungen betrifft,
So wurde Ihnen darüber allzu Hübsches erzählt:
Für Ihren Verein wären sie das reine Gift.
Viele meiner Freunde habe ich damit gequält,
Denn sie meinen, es sei des Dichters Beruf,
In des Bürgers Interesse das Leben stramm zu bejahen,
Wie sie das von so manchem Dichter betätigt sahen,
Der berühmte Romane und herrliche Dramen schuf.
Was mich betrifft, so schrieb ich zwar auch solche Sachen,
In der Lebensbejahung war ich früher groß,
Heute muß ich darüber lachen,
Und wenn ich ehrlich sein will, muß ich gestehen:
Nein, mit dem allzuviel bejahten Leben ist nichts los.

Wenden Sie sich gütigste an andre Adressen,
Wie der Kürschner sie Ihnen zu Hunderten nennt;
An Kürschners Schreibtisch bin ich lange genug gesessen,
Nun ziehe ich vor, gleich dem verlorenen Sohn
Brüderlich zwischen den Schweinen zu sitzen,
Das heißt in der Bar zwischen all den widrigen Fritzen
Cognac zu schlürfen oder Flip oder eine Flasche Beaune.
Dabei ist mir verhältnismäßig wohl,
Ich liebe Jazzmusik und den Alkohol,
Und mit diesem Bekenntnis zum Guten und Schönen
Hoffe ich Sie, sehr geehrter Herr Groß und Klein,
Samt Ihrem so verdienstvollen Verein
Wieder einigermaßen zu versöhnen.

Einem Freunde

Wie kommt es, daß du mich verstehst,
Wenn ich die Sprache meiner Heimat rede,
Die doch so weit jenseits der Meere liegt?
Und wenn ich still zu meinen Göttern bete,
Daß du unsichtbar bei mir stehst
Und deine Freundeshand in meiner liegt?

Auch fühl ich oft mit weichem Strich
Beim Geigen deine Hand mich rühren,
Und wenn ich krank bin, ängsteti's mich,
Du möchtest meine Leiden spüren.

Einem Mädchen

Von allen den Blumen
Bist du mir die liebste,
Süß ist und kindlich der Hauch deines Mundes,
Voll von Unschuld und doch voll Lust lacht dein Blick,
Dich nehm ich, Blume, in meine Träume mit,
Dort zwischen den bunten,
Singenden Zaubergewächsen
Ist deine Heimat, dort welkst du nie,
Ewig blüht dort, im Liebesgedicht meiner Seele,
Deine Jugend fort mit dem innigen Duft.

Viele Frauen hab ich gekannt,
Viele mit Schmerzen geliebt,
Vielen wehe getan -
Nun im Abschiednehmen grüß ich in dir
Noch einmal alle Zauber der Anmut,
Alle holden Reize der Jugend.
Und im Träumegarten
Meiner heimlichsten Dichtung
Stell ich dich, die mir so viel geschenkt,
Lächelnd und dankbar zu den Unsterblichen.

Einsame Nacht

Die ihr meine Brüder seid,
Arme Menschen nah und ferne,
Die ihr im Bezirk der Sterne
Tröstung träumet eurem Leid,
Die ihr wortelos gefaltet
In die blass gestirnte Nacht
Schmale Dulderhände haltet,
Die ihr leidet, die ihr wacht,
Arme, irrende Gemeinde,
Schiffer ohne Stern und Glück -
Fremde, dennoch mir Vereinte,
Gebt mir meinen Gruss zurück.

Einst vor tausend Jahren

Unruhvoll und reiselüstern
Aus zerstücktem Traum erwacht
Hör ich seine Weise flüstern
Meinen Bambus in der Nacht.

Statt zu ruhen, statt zu liegen
Reißt michs aus den alten Gleisen
Weg zu stürzen, weg zu fliegen
Ins Unenedliche zu reisen.

Einst vor tausend Jahren gab es
Eine Heimat, einen Garten,
Wo im Beet des Vogelgrabes
Aus dem Schnee die Krokus starrten.

Vogelschwingen möcht ich breiten
Aus dem Bann, der mich umgrenzt,
Dort hinüber zu den Zeiten,
Deren Gold mir heut noch glänzt.

Elisabeth

I

Dir liegt auf Stirne, Mund und Hand
Der feine, zärtlich helle Lenz,
Der holde Zauber, den ich fand
Auf alten Bildern zu Florenz.

Du lebtest schon einmal vorzeit,
Du wunderschöne Maigestalt,
Als Flora im beblümten Kleid
Hat Botticelli dich gemalt.

Auch bist du jene, deren Gruß
Den jungen Dante übermannt,
Und unbewußt ist deinem Fuß
Der Weg durchs Paradies bekannt.

II

Ich soll erzählen,
Die Nacht ist schon spät -
Willst du mich quälen,
Schöne Elisabeth?

Daran ich dichte
Und du dazu,
Meine Liebesgeschichte
Ist dieser Abend und du.

Du mußt nicht stören,
Die Reime verwehn.
Bald wirst du sie hören,
Hören und nicht verstehn.

III

Wie eine weiße Wolke
Am hohen Himmel steht,
So weiß und schön und ferne
Bist du, Elisabeth.

Die Wolke geht und wandert,
Kaum hast du ihrer acht,
Und doch durch deine Träume
Geht sie in dunkler Nacht.

Geht und erglänzt so silbern,
Daß fortan ohne Rast
Du nach der weißen Wolke
Ein süßes Heimweh hast. [Mai/Juni 1900]

IV

Dir liegt auf Stirne, Mund und Hand
Der feine, zärtlich helle Lenz,
Der holde Zauber, den ich fand
Auf alten Bildern zu Florenz.

Darf ich dir sagen, daß du mir
Wie eine schöne Schwester scheinst
Und leises Glück mit Lustbegier
In meiner Seele seltsam einst?

Und daß wir beide Gäste sind
Von ferneher, und daß wir beiden,
Sobald die dunkle Nacht beginnt,
Dasselbe bange Heimweh leiden?

Entgegenkommen

Die ewig Unentwegten und Naiven
Ertragen freilich unsre Zweifel nicht.
Flach sei die Welt, erklären sie uns schlicht,
und Faselei die Sage von den Tiefen.

Denn sollt es wirklich andre Dimensionen
Als die zwei guten, altvertrauten geben,
Wie könnte da ein Mensch noch sicher wohnen,
Wie könnte da ein Mensch noch sorglos leben?

Um also einen Frieden zu erreichen,
So laßt uns eine Dimension denn streichen!

Denn sind die Unentwegten ehrlich,
Und ist das Tiefensehen so gefährlich,
Dann ist die dritte Dimension entbehrlich.

Es gibt so Schönes

Es gibt so Schönes in der Welt,
Daran du nie dich satt erquickst
Und das dir immer Treue hält
Und das du immer neu erblickst:
Der Blick von einer Alpe Grat,
Am grünen Meer ein stiller Pfad,
Ein Bach, der über Felsen springt,
Ein Vogel, der im Dunkel singt,
Ein Kind, das noch im Traume lacht,
Ein Sterneglanz der Winternacht,
Ein Abendrot im klaren See
Bekränzt von Alm und Firneschnee,
Ein Lied am Straßenzaun erlauscht,
Ein Gruß mit Wanderern getauscht,
Ein Denken an die Kinderzeit,
Ein immer waches, zartes Leid,
Das nächtelang mit feinem Schmerz
Dir weitet das verengte Herz
Und über Sternen schön und bleich
Dir baut ein fernes Heimwehreich.

Falter im Wein

In meinen Becher mit Wein ist ein Falter geflogen,
Trunken ergibt er sich seinem süßen Verderben,
Rudert erlahmend im Naß und ist willig zu sterben
Endlich hat ihn mein Finger herausgezogen.

So ist mein Herz, von deinen Augen verblendet,
Selig im duftenden Becher der Liebe versunken,
Willig zu sterben, vom Wein deines Zaubers betrunken,
Wenn nicht ein Wink deiner Hand mein Schicksal vollendet.

Frühling

In dämmrigen Grüften
träumte ich lang
von dein Bäumen und blauen Lüften,
von deinem Duft und Vogelsang.

Nun liegst du erschlossen
in Gleiss und Zier
von Licht übergossen
wie ein Wunder vor mir.

Du kennst mich wieder,
du lockst mich zart,
es zittert durch all meine Glieder
deine selige Gegenwart!

Gebet

Laß mich verzweifeln, Gott, an mir,
Doch nicht an dir!
Laß mich des Irrens ganzen Jammer schmecken,
Laß alles Leides Flammen an mir lecken,
Laß mich erleiden alle Schmach,
Hilf nicht mich erhalten,
Hilf nicht mich entfalten!
Doch wenn mir alles Ich zerbrach,
Dann zeige mir,
Daß du es warst,
Daß du die Flammen und das Leid gebarst,
Denn gern will ich verderben,
Will gerne sterben,
Doch sterben kann ich nur in dir.

Glück

Solang du nach dem Glücke jagst,
Bist du nicht reif zum Glücklichsein,
Und wäre alles Liebste dein.

Solang du um Verlornes klagst
Und Ziele hast und rastlos bist,
Weißt Du noch nicht, was Friede ist.

Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,
Nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
Das Glück nicht mehr mit Namen nennst,

Dann reicht dir des Geschehens Flut
Nicht mehr ans Herz, und deine Seele ruht.

Going to Sleep

Now that day wearies me,
my yearning desire
will receive more kindly,
like a tired child, the starry night.

Hands, leave off your deeds,
mind, forget all thoughts;
all of my forces
yearn only to sink into sleep.

And my soul, unguarded,
would soar on widespread wings,
to live in night's magical sphere
more profoundly, more variously.

Harte Menschen

Wie ist euer Blick so hart,
Will alles versteinern,
Ist nicht der kleinste Traum darin,
Ist alles kalte Gegenwart.

Mag denn in eurem Sinn
Gar keine Sonne scheinen?
Und müsset ihr nicht weinen,
Dass ihr nie Kinder wart?

Herbstbeginn

Der Herbst streut weiße Nebel aus,
Es kann nicht immer Sommer sein!
Der Abend lockt mit Lampenschein
Mich aus der Kühle früh ins Haus.

Bald stehen Baum und Garten leer,
Dann glüht nur noch der wilde Wein
Ums Haus, und bald verglüht auch der,
Es kann nicht immer Sommer sein.

Was mich zur Jugendzeit erfreut,
Es hat den alten frohen Schein
Nicht mehr und freut mich nimmer heut -
Es kann nicht immer Sommer sein.

O Liebe, wundersame Glut,
Die durch die Jahre Lust und Mühn
Mir immer hat gebrannt im Blut -
O Liebe, kannst auch du verglühn?

Hingabe

Dunkle du, Urmutter aller Lust,
Die ich floh, die ich so oft verflucht,
Die mich dennoch immer hat gesucht,
Endlich werf ich mich an deine Brust!

Nimm mich hin, furchtbare Mutter Nacht,
Todeswollust ist's, dich zu umarmen,
Heimlich aus dem heißen Abgrund lacht
Ahnung von Erlösung, von Erbarmen.
Tief in deinen schwarzen Augen brennt
Deiner düstern Liebe Glut so wehe,
Deiner Liebe, die mich ganz erkennt,
Deren Todesruf ich ganz verstehe.
Willig folg ich dir durch Blut und Angst,
Fühle, wie du mich zurückverlangst,
Um noch einmal mich dein Kind zu nennen,
Um in einem Kuß mich zu verbrennen.

Höhe des Sommers

Das Blau der Ferne klärt sich schon
Vergeistigt und gelichtet
Zu jedem süßen Zauberton,
Den nur September dichtet.

Der reife Sommer über Nacht
Will sich zum Feste färben,
Da alles in Vollendung lacht
Und willig ist zu sterben.

Entreiß dich, Seele, nun der Zeit,
Entreiß dich deinen Sorgen
Und mache dich zum Flug bereit
In den ersehnten Morgen.

How Heavy the Days...

How heavy the days are.
There's not a fire that can warm me,
Not a sun to laugh with me,
Everything bare,
Everything cold and merciless,
And even the beloved, clear
Stars look desolately down,
Since I learned in my heart that
Love can die.

Ich bin ein Stern

Ich bin ein Stern am Firmament,
Der die Welt betrachtet, die Welt verachtet,
Und in der eignen Glut verbrennt.

Ich bin das Meer, das nächtens stürmt,
Das klagende Meer, das opferschwer
Zu alten Sünden neue türmt.

Ich bin von Eurer Welt verbannt
Vom Stolz erzogen, vom Stolz belogen,
Ich bin ein König ohne Land.

Ich bin die stumme Leidenschaft,
Im Haus ohne Herd, im Krieg ohne Schwert,
Und krank an meiner eignen Kraft.

Ich log

Ich log! Ich log! Ich bin nicht alt,
Ich bin nicht satt vom Leben,
Mir macht jede schöne Frauengestalt
Noch Puls und Gedanken erbeben.

Mir träumt noch von Weibern heiß und nackt,
Von guten und von schlechten,
Von wilder Walzer brillantem Takt
Und von verliebten Nächten.

Mir träumt von einer Liebe sogar,
Einer schweigsam schönen und reinen,
Wie jene erste, heilige war,
Und ich kann noch um sie weinen.

Ich weiß von solchen...

In manchen Seelen wohnt so tief die Kindheit,
Dass sie den Zauber niemals ganz durchbrechen,
Sie leben hin in traumgefüllter Blindheit
Und lernen nie des Tages Sprache sprechen.

Weh ihnen, wenn ein Unheil sie erschreckt
Und plötzlich hell zur Wirklichkeit erweckt!
Aus Traum gescheucht und kindlichem Vertrauen
Starren sie hilflos in des Lebens Grauen.

Ich weiß von solchen, die der Krieg erst weckte,
Da sie des Lebens Mitte überschritten,
Und die seither am Leben wie erschreckte
Traumwandler zitternd und geängstigt litten.

Es scheint: in diesen Hoffnungslosen sucht
Die Menschheit ihrer blutgetränkten Erden,
Sucht ihrer Grausamkeit und Seelenflucht
Erschauernd und beschämt bewusst zu werden.

Im Altwerden

Jung sein und Gutes tun ist leicht,
Und von allem Gemeinen entfernt sein;
Aber lächeln, wenn schon der Herzschlag schleicht,
Das will gelernt sein.
Und wem's gelingt, der ist nicht alt,
Der steht noch hell in Flammen
Und biegt mit seiner Faust Gewalt
Die Pole der Welt zusammen.
Weil wir den Tod dort warten sehn,
Laß uns nicht stehen bleiben.
Wir wollen ihm entgegengehn,
Wir wollen ihn vertreiben.
Der Tod ist weder dort noch hier,
Er steht auf allen Pfaden.
Er ist in dir und ist in mir,
Sobald wir das Leben verraten.

Im Auto über den Julier

Stein-Öde, Trümmerfelder tot,
Dünnfargbige Algen grün, grau, rot,
Felsgipfel steil ins Graue drängend,
Gewölk die Grate überhängend,
Kaltfeindlich scharf der mürrische Wind,
Moorwasserlachen stumm und blind,
An bleichen Wänden frische Wunden
Blutbraun und schorfig, felsgeschunden.
Müd aber streng und scharfgeschnitten
Zieht lang der Straße Band inmitten,
Einst Heer- und Pilgerweg, und jetzt
Von schnurrenden Maschinen abgewetzt
Mit Menschen drin, die alles hätten,
Sich aus dem Lärm ins Sommerglück zu retten,
Nur keine Zeit, nur keine Zeit.
Wir hasten mit, es ist noch weit
Bis Bivio, bis Chur, Paris, Berlin,
Wir hasten auf der hageren Straße hin,
Wir sehen grat-entlang die Wolken ziehn,
Das Steingeröll mit blinden Wasserlachen;
Die graue Kühle will uns schauern machen,
Doch die Maschine reißt uns ohne Gnade
Hinan, hinab, hinweg. Heroisch hart
Ins Grau empor die steile Steinwelt starrt.
Wir fliehen, fliehen, und wir fühlen: "schade..."

Im malayischen Archipel

In allen Nächten steht die Heimat nah,
Als wäre sie noch mein,
Vor meinen traumbeglückten Augen da.
Doch muss ich lange noch auf Reisen sein
Und in entlegener Inseln Sonnenglut
Mein Herz zur Ruhe bringen
Und wie ein widerspenstig Kind
Einwiegen und zur Ruhe singen.
Und immer wieder ist es ungemut,
Ist nicht zur Ruh' zu bringen,
Ist wild und schwach wie Kinder sind.

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Einsam ist jeder Busch und Stein,
Kein Baum sieht den anderen,
Jeder ist allein.

Voll von Freuden war mir die Welt,
Als noch mein Leben Licht war,
Nun, da der Nebel fällt,
Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,
Der nicht das Dunkle kennt,
Das unentrinnbar und leise.
Von allen ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!
Leben ist Einsam sein.
Kein Mensch kennt den anderen,
Jeder ist allein.

In Sand geschrieben

Dass das Schöne und Berückende
Nur ein Hauch und Schauer sei,
Dass das Köstliche, Entzückende,
Holde ohne Dauer sei:
Wolke, Blume, Seifenblase,
Feuerwerk und Kinderlachen,
Frauenblick im Spiegelglase
Und viel andre wunderbare Sachen,
Dass sie, kaum entdeckt, vergehen,
Nur von Augenblickes Dauer,
Nur ein Duft und Windeswehen,
Ach, wir wissen es mit Trauer,
Und das Dauerhafte, Starre
Ist uns nicht so innig teuer:
Edelstein mit kühlem Feuer,
Glänzendschwere Goldesbarre;
Selbst die Sterne, nicht zu zählen,
Bleiben fern und fremd, sie gleichen
Uns Vergänglichen nicht, erreichen
Nicht das Innerste der Seelen.
Nein, es scheint das innigst Schöne,
Liebenswerte dem Verderben
Zugeneigt, stets nah dem Sterben,
Und das Köstlichste: die Töne
Der Musik, die im Entstehen
Schon enteilen, schon vergehen,
Sind nur Wehen, Strömen, Jagen
Und umweht von leiser Trauer,
Denn auch nicht auf Herzschlags Dauer
Lassen sie sich halten, bannen;
Ton um Ton, kaum angeschlagen,
Schwindet schon und rinnt von dannen.
So ist unser Herz dem Flüchtigen,
Ist dem Fließenden, dem Leben
Treu und brüderlich ergeben,
Nicht dem Festen, Dauertüchtigen.
Bald ermüdet uns das Bleibende,
Fels und Sternwelt und Juwelen,
Uns in ewigem Wandel treibende
Wind- und Seifenblasenseelen,
Zeitvermählte, Dauerlose,
Denen Tau am Blatt der Rose,
Denen eines Vogels Werben,
Eines Wolkenspieles Sterben,
Schneegeflimmer, Regenbogen,
Falter, schon hinweg geflogen,
Denen eines Lachens Läuten,
Das uns im Vorübergehen
Kaum gestreift, ein Fest bedeuten
Oder wehtun kann. Wir lieben,
Was uns gleich ist, und verstehen,
Was der Wind in Sand geschrieben.

In Weihnachtszeiten

In Weihnachtszeiten reis´ ich gern
Und bin dem Kinderjubel fern
Und geh in Wald und Schnee allein.
Und manchmal, doch nicht jedes Jahr,
Trifft meine gute Stunde ein,
Dass ich von allem, was da war,
Auf einem Augenblick gesunde
Und irgendwo im Wald für eine Stunde
Der Kindheit Duft erfühle tief im Sinn
Und wieder Knabe bin ...

Irgendwo

Durch des Lebens Wüste irr ich glühend
Und erstöhne unter meiner Last,
Aber irgendwo, vergessen fast,
Weiß ich schattige Gärten kühl und blühend.

Aber irgendwo in Traumesferne
Weiß ich warten eine Ruhestatt,
Wo die Seele wieder Heimat hat,
Weiß ich Schlummer warten, Nacht und Sterne.

Jeden Abend

Jeden Abend sollst du deinen Tag
Prüfen, ob er Gott gefallen mag,
Ob er freudig war in Tat und Treue,
Ob er mutlos lag in Angst und Reue;
Sollst die Namen deiner Lieben nennen,
Haß und Unrecht still vor dir bekennen,
Sollst dich alles Schlechten innig schämen,
Keinen Schatten mit ins Bette nehmen,
Alle Sorgen von der Seele tun,
Daß sie fern und kindlich möge ruhn.
Dann getrost in dem geklärten Innern
Sollst du deines Liebsten dich erinnern,
Deiner Mutter, deiner Kinderzeit;
Sieh, dann bist du rein und bist bereit,
Aus dem kühlen Schlafborn tief zu trinken,
Wo die goldnen Träume tröstend winken,
Und den neuen Tag mit klaren Sinnen
Als ein Held und Sieger zu beginnen.

Jede Nacht

Jede Nacht der gleiche Jammer,
Erst getanzt, gelacht, gesoffen,
Müde dann in meine Kammer
Und ins kühle Bett geschloffen.
Kurzer Schlaf und langes Wachen,
Verse aufs Papier geschrieben,
Brennende Augen wund gerieben,
Lieber Gott, es ist zum Lachen!
Zwischen Träumetrümmern lieg ich,
Wünsche dieser Qual ein Ende,
In zerwühlten Kissen schmieg ich
Heiße Wangen, feuchte Hände,
Schütte Whisky in die Kehle,
Und in den verlorenen Schlünden
Jammert die erstickte Seele.
Irgendwo aus Höllengründen
Kommt der Morgen dann geschlichen,
Und der Tag mit fürchterlichen
Augen stiert auf meine Sünden.

Julikinder

Wir Kinder im Juli geboren
Lieben den Duft des weißen Jasmin,
Wir wandern an blühenden Gärten hin
Still und in schwere Träume verloren.

Unser Bruder ist der scharlachene Mohn,
Der brennt in flackernden roten Schauern
Im Ährenfeld und auf den heißen Mauern,
Dann treibt seine Blätter der Wind davon.

Wie eine Julinacht will unser Leben
Traumbeladen seinen Reigen vollenden,
Träumen und heißen Erntefesten ergeben,
Kränze von Ähren und roten Mohn in den Händen. [Mai 1904]

Keine Rast

Seele, banger Vogel du,
immer wieder mußt du fragen:
Wann nach so viel wilden Tagen
kommt der Friede, kommt die Ruh?

Ob, ich weiß: kaum haben wir
unterm Boden stille Tage,
wird vor neuer Sehnsucht dir
jeder liebe Tag zur Plage.

Und du wirst, geborgen kaum,
dich um neue Leiden mühen
und voll Ungeduld den Raum
als der jüngste Stern durchglühen.

Kein Trost

Zur Urwelt führt kein Weg zurück.
Es gibt kein Sternenheer,
Kein Wald und Strom und Meer
Der Seele Trost und Glück.

Es ist nicht Baum noch Fluss noch Tier
Dem Herzen zu erreichen;
Trost wird dem Herzen dir
Allein bei deinesgleichen.

Kennst du das auch?

Kennst du das auch, daß manches mal
Inmitten einer lauten Lust,
Bei einem Fest, in einem frohen Saal,
Du plötzlich schweigen und hinweggehen mußt?

Dann legst du dich aufs Lager ohne Schlaf
Wie Einer, den plötzlich Heimweh traf;
Lust und Gelächter ist verstiebt wie Rauch,
Du weinst, ohne Halt - Kennst du das auch?

Klage

Uns ist kein Sein vergönnt. Wir sind nur Strom,
Wir fließen willig allen Formen ein:
Dem Tag, der Nacht, der Höhle und dem Dom,
Wir gehn hindurch, uns treibt der Durst nach Sein.

So füllen Form um Form wir ohne Rast,
Und keine wird zur Heimat uns, zum Glück, zur Not,
Stets sind wir unterwegs, stets sind wir zu Gast,
Uns ruft nicht Feld noch Pflug, uns wächst kein Brot.

Wir wissen nicht, wie Gott es mit uns meint,
Er spielt mit uns, dem Ton in seiner Hand,
Der stumm und bildsam ist, nicht lacht noch weint,
Der wohl geknetet wir, doch nie gebrannt.

Einmal zu Stein erstarren! Einmal dauern!
Danach ist unsre Sehnsucht ewig rege,
Und bleibt doch ewig nur ein banges Schauen,
Und wird doch nie zur Rast auf unsrem Wege. [Januar 1934]

Kleiner Gesang

Regenbogengedicht,
Zauber aus sterbendem Licht,
Glück wie Musik zerronnen,
Schmerz im Madonnengesicht,
Das eins bittere Wonne...

Blüten vom Sturm gefegt,
Kränze auf Gräber gelegt,
Heiterkeit ohne Dauer,
Stern, der ins Dunkel fällt.
Schleier von Schönheit und Trauer
Über dem Abgrund der Welt.

Kleiner Knabe

Hat man mich gestraft,
Halt ich meinen Mund,
Weine mich in Schlaf,
Wache auf gesund.

Hat man mich gestraft,
Heißt man mich den Kleinen,
Will ich nicht mehr weinen,
Lache mich in Schlaf.

Große Leute sterben,
Onkel, Großpapa,
Aber ich, ich bleibe
Immer, immer da.


Дата добавления: 2019-02-12; просмотров: 207; Мы поможем в написании вашей работы!

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